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Unabhängige Wählervereinigung Bürger Für Brieselang e.V.
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Bürger für Brieselang

Gemeindevertretung verlangt vom Bürgermeister Respekt vor demokratischen Kontrollrechten

Einstimmig hatte die Gemeindevertretung in einer Sondersitzung am 6. Mai 2020 einen von allen (!) Fraktionen gemeinsam eingebrachten Antrag beschlossen, mit dem der Bürgermeister zu einer besseren Zusammenarbeit und zu Respekt vor den Entscheidungs- und Kontrollrechten der Gemeindevertretung aufgefordert wird. 

Der Bürgermeister hat nunmehr den Antrag nach § 55 der Kommunalverfassung beanstandet, weil er diesen für rechtswidrig hält. Damit wird sich jetzt die Gemeindevertretung erneut mit diesem Antrag beschäftigen müssen und ihn vermutlich erneut beschließen. Denn wiederum alle Fraktionen (!) haben gemeinsam einen aktualisierten Beschlusstext eingebracht.

Den genauen neuen Beschlusstext für die Gemeindevertretung am 27. Mai 2020 können Sie hier nachlesen:

Wortlaut des gemeinsamen Antrags der Fraktionen Bürger Für Brieselang, Freie Wähler Brieselang, CDU, SPD, Bündnis 90/Grüne und Die Linke:

 

 

Zusammenarbeit Bürgermeister Gemeindevertretung

Neufassung des Beschlusses 197/20

 

Die Gemeindevertretung möge beschließen:


A.

Die Gemeindevertretung hat am 6. Mai 2020 einstimmig die von allen Fraktionen vorgelegte Beschlussvorlage 197/20 beschlossen.

Die Beschlussvorlage wurde vom Bürgermeister mit Schreiben vom 12. Mai 2020 an den Vorsitzenden der Gemeindevertretung nach § 55 BbgVerf beanstandet.

Nach § 55 BbgKVerf sind Beschlüsse der Gemeindevertretung vom Hauptverwaltungsbeamten zu beanstanden, wenn dieser der Auffassung ist, dass diese rechtswidrig sind – aber auch nur dann! Keinesfalls ist es zulässig, das Beanstandungsrecht zu nutzen, um dem Bürgermeister nicht genehme Beschlüsse zu „kassieren“. Denn dies würde dem Demokratieprinzip fundamental widersprechen.

Die Gemeindevertretung hat bereits Zweifel an der Zulässigkeit der Beanstandung, weil sich der Bürgermeister in der Sitzung der Gemeindevertretung am 6. Mai 2020 zu diesem Beschluss selbst für befangen im Sinne des § 22 BbgKVerf erklärt hat und deshalb in der Angelegenheit selbst nicht mitwirken darf.

Ungeachtet dessen ist die Beanstandung in einem Punkt begründet, im Übrigen unbegründet. Sie wird deshalb nach Maßgabe der folgenden Punkte zurückgewiesen.

  1. Der Bürgermeister hätte die Beanstandung auf die nach seiner Ansicht rechtswidrigen Punkten beschränken müssen und durfte nicht die gesamte Beschlussvorlage als angeblich rechtswidrig verwerfen. Soweit die Beanstandung des Bürgermeisters aus eigenen Rechtfertigungen besteht, kann sie ohnehin nicht Gegenstand einer Beanstandung sein.
  2. Die Aufforderung der Gemeindevertretung an den Bürgermeister, ein vorliegendes Rechtsgutachten den Gemeindevertretern auszuhändigen, ist nicht rechtswidrig (Punkt I. der Beanstandung des Bürgermeisters). Dabei kann dahinstehen, ob den Gemeindevertretern ein entsprechender Rechtsanspruch zusteht. Es ist nicht zutreffend, dass die Gemeindevertretung einen derartigen Rechtsanspruch eingefordert hätten. Jedenfalls ist der Bürgermeister rechtlich nicht an der Aushändigung gehindert und durfte deshalb auch entsprechend „aufgefordert“ werden. Die Beanstandung in diesem Punkt wird deshalb zurückgewiesen.
  3. Der Bürgermeister vertritt die Auffassung (Punkt II. seiner Beanstandung), dass die von ihm bereits zuvor beanstandeten Beschlüsse der Gemeindevertretung zwar nicht rechtswidrig, aber nichtig seien. Dies kann aus Sicht der Gemeindevertretung dahinstehen, da die unstreitig falschen Ausführungsdaten durch neue Beschlüsse der Gemeindevertretung korrigiert werden. Eine Streit mit dem Bürgermeister um eine angebliche Nichtigkeit ist deshalb überflüssig.
  4. Der Bürgermeister geht zu Unrecht davon aus (Ziff. III. der Beanstandung), dass die Gemeindevertreter mit dem Beschluss 197/20 einen Rechtsanspruch auf Herausgabe von Unterlagen reklamiert hätten. Deshalb kann dahinstehen, ob den Gemeindevertretern nicht ein solcher Rechtsanspruch zusteht. Die Beanstandung wird in diesem Punkt zurückgewiesen.
  5. Der Bürgermeister stellt ausweislich der Ziff. IV. seiner Beanstandung nicht die Kontrollrechte der Gemeindevertretung in Frage und damit auch nicht den entsprechenden Inhalt des Beschlusses 197/20 der Gemeindevertretung. In diesem Punkt ist der Beschluss deshalb nicht beanstandungsfähig. Diese wird in diesem Punkt zurückgewiesen. Der Bürgermeister möge es der Gemeindevertretung selbst überlassen, welche Beschlüsse sie für erforderlich hält.
  6. Der Bürgermeister vertritt in seiner Beanstandung die Auffassung (Ziff. V.), der Seniorenbeauftragten stehe an den Sitzungen der Gemeindevertretung und der Ausschüsse kein aktives Teilnahmerecht zu. Das ist nicht richtig. Die Vorsitzende des Seniorenbeirats hat nach § 19 Abs. 3 Satz 1 BbgKVerf ,§ 14 Abs. 5 Hauptsatzung ein Teilnahmerecht an den entsprechenden Sitzungen mit beratender Stimme. Der Bürgermeister übersieht zudem, dass ein solches Recht nach § 47 Abs. 1 Satz 2 BbgKVerf auch Ortsvorstehern, nach 19 Abs. 3 Satz 1 BbgKVerf, § 15 Abs. 3 auch Beauftragten für die soziale Integration von Behinderten und nach § 19 Abs. 3 Satz 1 BbgKVerf, § 16 Abs. 3 Hauptsatzung auch dem Grabenbeauftragten zusteht. Dieses Recht kann nur wahrgenommen werden, wenn die entsprechenden Personen auch die Möglichkeit haben, zu den ihre Angelegenheiten betreffenden Punkten das Wort zu ergreifen. Das darf durch den Bürgermeister nicht unmöglich gemacht werden. Die Beanstandung wird in diesem Punkt zurückgewiesen. Vor allem weist die Gemeindevertretung die Stellungnahme des Bürgermeisters zurück, die Vorsitzende des Seniorenbeirats (Seniorenbeauftragte) sei „nicht existent“.

Vor diesem Hintergrund fasst die Gemeindevertretung den durch den Bürgermeister beanstandeten Beschluss wie folgt neu:

B.

Die Gemeindevertretung hält fest, dass sie nach § 28 Abs. 1 BbgKVerf eine umfassende Zuständigkeit für alle Angelegenheiten der Gemeinde hat, soweit dies nicht ausdrücklich gesetzlich anders geregelt ist. Das betrifft insbesondere die allgemeinen Grundsätze, nach denen die Verwaltung zu führen ist, allgemeine Grundsätze zur Personalplanung und -entwicklung und die Übernahme neuer Aufgabenbereiche ohne gesetzliche Verpflichtung Nach §§ 28 Abs. 2, 29 BbgKVerf kontrolliert die Gemeindevertretung die Verwaltung und damit auch den Bürgermeister. Nach § 61 BbgKVerf ist die Gemeindevertretung Dienstvorgesetzte und oberste Dienstbehörde des Hauptverwaltungsbeamten (Bürgermeisters). Der Bürgermeister hat nach § 54 BbgKVerf die Beschlüsse der Gemeindevertretung und des Hauptausschusses vorzubereiten und auszuführen und die Geschäfte der laufenden Verwaltung in eigener Verantwortung zu führen.

Eine erfolgreiche politische Arbeit in Brieselang ist vor diesem Hintergrund nur bei einer guten und vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen der Gemeindevertretung und dem Bürgermeister möglich. Daran ist der Gemeindevertretung sehr gelegen. Diese Zusammenarbeit wird erheblich belastet, wenn der Bürgermeister das Beanstandungsrecht nach § 55 BbgKVerf nutzt, um ihm nicht genehme Beschlüsse der Gemeindevertretung aufzuheben und diese öffentlich zu maßregeln. Das steht dem Bürgermeister nicht zu und wird von der Gemeindevertretung ausdrücklich zurückgewiesen.

Der Bürgermeister wird aufgefordert, die ehrenamtlich arbeitenden Gemeindevertreter bestmöglich durch die Verwaltung bei ihrer Arbeit zu unterstützen, und sich in seiner Amtsführung und in der Zusammenarbeit mit der Gemeindevertretung und ihren Ausschüssen so zu verhalten, dass die Kompetenzen der Gemeindevertretung und ihre Kontrollrechte sowie ein angemessenes Verhalten gegenüber einer Dienstvorgesetzten gewahrt werden.

Der Bürgermeister wird ferner aufgefordert, die Arbeit, die Rolle und die Rechte der Beauftragten und der Ortsvorsteher, insbesondere die Vorsitzende des Seniorenbeirats, in der gebotenen Weise zu respektieren und zu unterstützen.

Dies vorausgeschickt, beschließt die Gemeindevertretung Folgendes:

 

I. Aushändigung von Unterlagen

  1. In der Verwaltung liegt ein vom Bürgermeister beauftragtes Kurzrechtsgutachten des Rechtsanwalts Dr. Becker zu einer Gesamtschule Brieselang vor. Durch mehrere Gemeindevertreter und Fraktionen ist der Bürgermeister bereits aufgefordert worden, dieses Gutachten zur Prüfung auszuhändigen. Dieses ist bisher vom Bürgermeister abgelehnt worden. Der Bürgermeister wird dringend gebeten, das Gutachten auf Verlangen unverzüglich Gemeindevertretern zur Prüfung in schriftlicher Form zu überlassen. Auf die Vertraulichkeit ist hinzuweisen.
  2. Die Verwaltung hat auf Aufforderung einzelner Fraktionen Rechtsfragen im Zusammenhang mit einer Gesamtschule rechtlich überprüfen lassen. Der Bürgermeister wird dringend gebeten, das Ergebnis dieser rechtlichen Prüfungen auf Verlangen unverzüglich Gemeindevertretern zur Prüfung in schriftlicher Form zu überlassen. Auf die Vertraulichkeit ist hinzuweisen.

II. Beanstandung von Beschlüssen der Gemeindevertretung

Der Bürgermeister hat im Amtsblatt 04/2020 der Gemeinde vom 16. April 2020 mitgeteilt, dass er die Beschlüsse BV/0138/20 und BV/0139/20 der Gemeindevertretung vom 14. April 2020 nach § 55 Abs. 1 BbgKVerf beanstandet. Hierzu stellt die Gemeindevertretung fest:

  1. Nach § 55 Abs. 1 BbgKVerf hat der Hauptverwaltungsbeamte Beschlüsse der Gemeindevertretung zu beanstanden, wenn er der Meinung ist, dass diese rechtswidrig seien. Rechtswidrig sind Beschlüsse, wenn sie gegen Rechtsvorschriften verstoßen. Die beanstandeten Beschlüsse BV/0138/20 und BV/0139/20 enthalten zwar ein falsches Ausführungsdatum, verstoßen aber nach Ansicht der Gemeindevertretung nicht gegen Rechtsvorschriften.
  2. Die Gemeindevertretung wird die Beschlüsse mit neuem Ausführungsdatum neu beschließen.

III. Sicherung der Vertraulichkeit

Im Zusammenhang mit Gemeindevertretern geforderten Herausgabe von in der Verwaltung vorliegenden Rechtsgutachten hat der Bürgermeister in der Sitzung des Hauptausschusses am 18. März 2020 sinngemäß geäußert, er könne und wolle solche Unterlagen nicht aushändigen, weil die Vertraulichkeit nicht gewährleistet sei.

Die Gemeindevertretung stellt hierzu fest:

  1. Für eine sachgerechte Wahrnehmung ihrer Kontrollrechte benötigen Gemeindevertreter Einsicht in Verwaltungsunterlagen. Das kann nach Ansicht der Gemeindevertretung auch eine Aushändigung von Kopien solcher Unterlagen erfordern, wenn sonst keine sachgerechte Prüfung möglich ist.
  2. Nach § 21 BbgKVerf unterliegen Gemeindevertreter hinsichtlich vertraulicher Sachverhalte einer umfassenden Verschwiegenheitspflicht.
  3. Die Unterstellung des Bürgermeisters gegenüber Mitgliedern der Gemeindevertretung, sie würden die gesetzlich angeordnete Vertraulichkeit nicht einhalten, wird zurückgewiesen.

IV. Kontrolle der Verwaltung während der Corona-Pandemie

Während der Corona-Pandemie sind die Gemeindevertretung und ihre Ausschüsse aus Gründen des Infektionsschutzes teilweise an üblichen Präsenzsitzungen gehindert. Um die Kompetenzen der Gemeindevertretung und die Kontrolle der Verwaltung zu sichern, wird der Bürgermeister mit folgenden Maßnahmen beauftragt:

  1. Der Bürgermeister hat die Gemeindevertretung schriftlich oder telefonisch regelmäßig über Sachverhalte zu unterrichten, die nach der BbgKVerf in deren Zuständigkeit fallen oder deren Kenntnis für die Wahrnehmung sachgerechter Kontrolle erforderlich ist. Diese Information kann auch in Telefonkonferenzen gegenüber den Fraktions-vorsitzenden erfolgen.
  2. Der Bürgermeister hat der Gemeindevertretung wöchentlich in strukturierter Form (Dashboard) insbesondere über folgende Sachverhalte und Daten, die der Verwaltung vorliegen bzw. zugänglich sind, zu berichten und vertraulich zu behandelnde Informationen entsprechend zu kennzeichnen:
    1. Zahl der der Gemeindeverwaltung bekannte Todesfälle im Gebiet der Gemeinde;
    2. Arbeitsfähigkeit der Gemeindeverwaltung, insbesondere Anteil der arbeitsfähigen und tatsächlich arbeitenden Mitarbeiter, Anteil der Mitarbeiter im Home-Office;
    3. Getroffene Maßnahmen zur Sicherung qualitativ hochwertiger Home-Office-Arbeit;
    4. Anzahl (und Anteil) der Kinder in Betreuungseinrichtungen (Krippe, Kita, Hort, Schulen);
    5. Maßnahmen zur schrittweisen (Wieder-)Inbetriebnahme der Betreuungs-einrichtungen (Krippe, Kita, Hort, Schulen);
    6. Einschränkungen der Betriebs- und/oder Arbeitsfähigkeit von Einrichtungen der Gemeinde (operative Betriebsrisiken);
    7. Erkennbare entstehende Finanzbelastungen oder Finanzrisiken für die Gemeinde;
    8. Wegen der Corona-Pandemie getroffene besondere Maßnahmen der Gemeinde;
    9. Besonderheiten und Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, die für die Wahrnehmung der Kompetenzen der Gemeindevertretung von Bedeutung sind.

V. Durchführung von Gremiensitzungen während der Corona-Pandemie

Nach dem Gesetz zur Sicherung der Handlungsfähigkeit der brandenburgischen Kommunen in außergewöhnlicher Notlage (BbgKomNotG) und der dazu ergangenen Verordnung des Ministers des Innern und für Kommunales können Gemeinden in genau definierten Fallgestaltungen von den Regelungen der Brandenburgischen Kommunalverfassung abweichen. Insbesondere können einzelne Kompetenzen der Gemeindevertretung auf den Hauptausschuss übertragen und Sitzungen auch als Video- oder Audiositzungen durchgeführt werden. Die Entscheidung darüber obliegt der Gemeindevertretung und nicht dem Bürgermeister!

Der Bürgermeister ist durch Beschluss der Gemeindevertretung am 8. April 2020 beauftragt worden, die Durchführung von Video- bzw. Audiositzungen in der rechtlich geforderten Weise technisch sicherzustellen. Gleichwohl war es nicht möglich, die für den 29. April 2020 angesetzte Sitzung des Hauptausschusses als Audio-Sitzung durchzuführen, weil der Bürgermeister nicht die erforderliche Anzahl von gleichzeitigen Einwahlen sichergestellt hat. Aus Sicht der Gemeindevertretung wäre dies mit zumutbarer Sorgfalt leicht sicherzustellen gewesen. Angesichts der vorherigen mangelhaften Unterstützung der Sitzungsvorbereitung ist bei Gemeindevertretern der Eindruck entstanden, dass der Bürgermeister im Vorfeld seinen Pflichten nicht ausreichend nachgekommen ist.

Vor diesem Hintergrund beschließt die Gemeindevertretung:

  1. Der Bürgermeister wird aufgefordert, den Auftrag aus dem Beschluss vom 8. April 2020 zur Vorbereitung von Audio- und Video-Sitzungen so umzusetzen, dass rechtlich und technisch sichere Sitzungsdurchführungen möglich sind.
  2. Der Bürgermeister wird aufgefordert, die Entscheidungen der Selbstverwaltungs-gremien der Gemeinde, wie Sitzungen durchzuführen sind, zu akzeptieren und diese Entscheidungen im Rahmen seiner Aufgaben zu unterstützen.
  3. Die Gemeindevertretung weist die Haltung des Bürgermeisters zurück, dass die Vorsitzende des Seniorenbeirats oder andere Beauftragte und Ortsvorsteher kein Recht zu einer Stellungnahme (zu den ihre Aufgaben betreffenden Punkten) der Sitzung hätten. Deren Beteiligungsmöglichkeit ist von der Verwaltung künftig unabhängig von der Form der Sitzungsdurchführung sicherzustellen.